How to: Ein Gesicht – Sechs Lichter

von Urs Recher

Die Chemie zwischen Fotograf*in und Model ist, neben Outfit, Styling und Make-up sicherlich ein entscheidender Faktor eines (Beauty-) Portraits. Aber auch (oder vor allem?) mit Licht lässt sich ein Gesicht auf unterschiedlichste Weise interpretieren. Dies sei hier an 6 unterschiedlichen Portraits gezeigt, welche alle zusammen innerhalb weniger Stunden während eines Lichtseminars in Almaty, Kasachstan entstanden sind. Make-up und Haare blieben unverändert, einzig das Oberteil des Models wurde gewechselt. Und die Beleuchtung!

Das erste Bild zeigt Ulyana (@fhoplu) in einem sehr weichen, aber relativ hochkontrastigen Licht. Damit eine Softbox weiches Licht liefert, sollte sie erstens eher gross (hier 120x180cm) und ihr Abstand zum Model möglichst gering sein. Weil dann Reflexionen der umgebenden Studiowände nicht mehr ins Gewicht fallen, steigt gleichzeitig der Kontrast. Diese Kombination von sehr weichem Licht und eher dunklen Schatten ist einer der einfachsten, aber gleichzeitig auch eine der schönsten Techniken, ein Gesicht oder einen Körper zu formen.


Mit derselben grossen Softbox wurde auch das zweite Portrait ausgeleuchtet. Ein im Vergleich zur Lichtquelle eher kleiner schwarzer Karton dient als Hintergrund. Da die Softbox auf allen Seiten um den Hintergrund herum leuchtete, ergab sich ein perfektes Konturenlicht (Haarlicht) ohne jegliche Unterbrechung. Ein weisser Reflektor wurde zudem so positioniert, dass er das von hinten kommende Licht noch etwas weiter in das schöne Gesicht von Ulyana brachte.


Noch weicher als grosse Lichtquellen über kurze Distanzen sind indirekte Lichtführungen; dabei wird praktisch das ganze Studio zum Reflektor umfunktioniert. Das Licht kommt dann von überall her – es resultiert eine absolut schattenlose Ausleuchtung. Um dieser Lichtführung etwas mehr Charakter zu verleihen ist es möglich, eine schwarze Fläche so zu positionieren, dass das Licht aus einer Richtung absorbiert wird und das Gesicht dreidimensionaler erscheint – ohne auf die Vorteile des indirekten Licht-Set-Ups verzichten zu müssen.


Etwas komplexer ist das nächste Set: Eine kleinere Softbox (hier mit den Abmessungen 60 x 100 cm) wird relativ weit vom Model weggedreht. Damit ergibt sich ein Schattenverlauf nicht nur auf der lichtabgewandten Seite, sondern beidseitig. Der Hintergrund wird mit Dauerlicht beleuchtet (hier eine LED F160 mit Normalreflektor) und die Kamera während der Belichtung von rund ¼ Sekunde stetig bewegt. Dadurch ergeben sich die unscharfen Konturen zu beiden Seiten während die kurze Blitzabbrennzeit dennoch ein absolut scharfes Bild garantiert.


Schliesslich werden zwei Normalreflektoren, versehen mit engen Wabenrastern, eingesetzt, um eine sehr unorthodoxe Lichtführung zu erreichen. Beide Leuchten stehen hinter Ulyana und leuchten fast ausschliesslich an ihr vorbei; nur sehr wenig Licht trifft ihr Haar und ihr Gesicht direkt. Erst wenn sie die Arme hebt, erreicht das davon reflektierte Licht ihr Gesicht. Der Eindruck des dominanten Gegenlichts wird unterstützt, da das resultierende Streulicht absichtlich nicht oder nur teilweise eliminiert wird.

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