Schauen wir ganz genau hin – und 200 Millionen Jahre in die Vergangenheit

von Urs Recher

Im Fricktal, einer Landschaft im Norden der Schweiz, wurde in den letzten Jahren eine grössere Anzahl Skelette von pflanzenfressenden Dinosauriern gefunden. Diese Plateosaurier lebten vor ca. 200 Millionen Jahren und erreichten eine Körperlänge von 5 bis 8 Metern. Von den bisher gefundenen rund 80 (Teil-)Skeletten waren nur rund 10% komplett mit Schädel erhalten. Umso spezieller war es für uns, einen solchen Schädel im Studio zu haben (Leihgabe des Sauriermuseum Frick).

Beim eintägigen Shooting ging es darum, einerseits schöne Aufnahmen zu machen andererseits mittels RTI auch sehr hochauflösende und detailreiche Modelle der Oberflächenstrukturen zu erstellen. Beim Schädel lag dabei das Hauptinteresse auf dem Gebiss und dessen Abnutzungsspuren; bei der Kralle (genauer gesagt bei dem Knochenkern einer solchen) ging es um eine Gesamtaufnahme und ein Detail des (Blut-) Versorgungskanals an der Spitze.

Um unser Model kennen zu lernen, kümmerten wir uns zuerst um die konventionelle Gesamtaufnahme des Schädels.


Zur Orientierung: Der Schädel wurde von oben durch einen Bagger beschädigt und ist jetzt von der Unterseite her sichtbar. Deshalb entsprechen die Zähne links unten im Bild dem rechten Oberkiefer.

Was links unten wie ein Bruch erscheint, dürfte die Grenze zwischen zwei Schädelknochen sein. Dinosaurierschädel bestehen aus rund 60 kleinen Knochenteilen.

Da das Hauptinteresse auf den Zähnen lag, setzten wir zuerst diese perfekt in Szene - dafür wurden zwei Picolites verwendet: Für den vorderen (oberen) Teil war ein enges Wabenraster präzise genug, für die weiter von der Leuchte entfernten hinteren Zähne war ein Projektionsvorsatz (leicht unscharf gestellt) die beste Wahl, da sich dessen Lichtkegel auch über die grössere Entfernung perfekt einstellen liess. Der flache Leuchtwinkel dieser beiden Lichtquellen hoben die Oberflächenstruktur perfekt hervor.


Auch die weiteren Leuchten wurden (als Gegenlichter) so positioniert, dass die Dreidimensionalität des Schädels hervorgeheben wurde. Ein Striplite 60 (mit Wabe) wurde rechts hinter dem Objekt eingesetzt und links hinter dem Schädel lag eine Picobox direkt auf dem Aufnahmetisch.

Nach dem Einrichten dieser vier Leuchten ging es noch darum, eine dezente Aufhellung der bisher sehr dunklen Schatten zu erreichen. Dafür wurde eine grosse Softbox über dem Schädel angebracht (und mehrmals gesichert, damit sie garantiert nicht herunterfallen und das Objekt beschädigen kann.) Da selbst diese Aufhellung nicht von der Kamera herkam (was alles viel flacher hätte erscheinen lassen) war eine letzte, präzise Leuchte notwendig, die lediglich die vorderen Kanten des Sockels aufhellte. Ein Litestick kam hier zum Einsatz.

Bei dieser Total-Aufnahme entschied ich für einen mir sinnvoll erscheinenden Lichtaufbau. Es ist aber durchaus denkbar, dass für wissenschaftliche Zwecke nicht «der schönste» Lichtwinkel sinnvoll ist, sondern eben ein anderer. Die virtuelle Beleuchtung eines 2-dimensionales RTI-Oberflächenmodells der dreidimensionalen Oberfläche lässt sich nachträglich anpassen. Man muss sich also bei der Aufnahme nicht für eine finale Lichtsituation entscheiden, sondern kann diese, ja nach Bedürfnis, jederzeit wieder verändern.


Diese Detailaufnahme des Gebisses entstand mit einem broncolor Scope D50 im Spektrum des sichtbaren Lichtes (Scope D50 erlaubt auch Aufnahmen in UV und IR Bereich).

Die den Scope D50 komplettierende Software AUTHENTICA erlaubt es zudem, nicht nur die Beleuchtung, sondern sogar die Materialität von Objekten virtuell zu verändern. Im folgenden Beispiel (basierend auf demselben Oberflächenmodell) wurde auf Echtfarben verzichten und dafür der Glanzgrad erhöht. In Kombination mit einem flachen, harten, virtuellen Licht wurden bis dahin verborgen gebliebene Eigenschaften der Oberfläche sichtbar:


Bei den Zähnen ist der lagige Aufbau noch erkennbar. Hingegen sind die Zahnoberkanten, die sonst fein gezähnt sind, in diesem Fall abgenutzt oder nicht erhalten.


Auch beim Knochenkern der Kralle ging es nicht «nur» darum, ein schönes Foto zu erschaffen, sondern auch möglichst viel Informationen zur Dreidimensionalität zu erhalten.


Bei der konventionellen Fotografie kamen daher ausschliesslich harte (schmale) Lichtformer in einem sehr Flachen Leuchtwinkel zum Einsatz: Ein Striplite 60 im Winkel von fast 90 Grad und ein Litestick sogar im leichten Gegenlicht. Auch die «Aufhellung» von der anderen Seite war hart, da ein Spiegel lediglich die harten Hauptlichter reflektierte.


Wie einführend beschrieben liegt das wissenschaftliche Hauptinteresse beim Versorgungskanal, der zwischen dem hier fotografierten Knochenkern und dem Überzug aus Keratin (nicht erhalten) liegt, und die dortige Knochenhaut mit Blut und Sauerstoff versorgte. Das RTI Modell wurde wiederum mit einem Scope D50 im sichtbaren Licht erstellt und die Oberfläche leicht glänzender (aber in Original Farben) dargestellt.


Verwenden Sie Ihre Maus oder Ihren Finger, um mit dem Modell unten zu interagieren

Wechseln Sie in den Vollbildmodus, indem Sie den quadratischen Button drücken und zoomen. Klicken, halten und ziehen Sie die Maus, um den Winkel des Lichts auf dem Flächenmodell zu ändern.