In Ausbildungsgängen Fotografie wird gelehrt, dass Kunstreproduktionen flacher Objekte nach einem ganz klar vorgegeben Rezept zu erfolgen haben: Es wird dabei eine homogene Ausleuchtung angestrebt, die meist mit einem symmetrischen Setup bewerkstelligt wird. Dabei werden, mit identischer Leistung, zwei oder mehr weiche Lichtquellen in einem Winkel von rund 45° aufgestellt.


Gegen eine gleichmässige Ausleuchtung ist nichts einzuwenden, die Helligkeitsunterschiede des Werkes sollen ja originalgetreu abgebildet werden. Die Symmetrie des Lichtes macht aber, nach meiner persönlichen Einschätzung, nur sehr selten Sinn, nämlich bei absolut flachen Vorlagen wie z.B. Fotografien. Schon die Struktur eines Aquarellpapieres aber ginge in einem weich-symmetrischen Licht ganz und gar verloren.

Es ist also viel sinnvoller, dass wir Kunstreproduktionen als Produktaufnahmen interpretieren, lichttechnisch auf das jeweilige Werk eingehen und es nicht nach vermeintlich «richtigen Schulregeln» zu Tode blitzen.

Im Folgenden werde ich beschreiben, wie ich drei Kunstwerke ihrer Natur entsprechend reproduziert habe; ohne daraufhin gearbeitet zu haben zeigte sich, dass jeweils eine einzige Lichtquelle den Job am besten erledigte!

Es handelt sich um drei Werke der Künstlerin Nicole Schraner.

Nicole Schraner, im Licht der Projektion eines ihrer Gemälde (work in progress). (Zusätzliches Licht auf dem Gesicht durch ein Picolite mit Fresnel Spotvorsatz.)

Als erstes nahmen wir uns ein noch nicht vollendetes Bild vor. Es war etwa einen Meter breit, über 2 Meter hoch und auf stark geknittertem Papier gemalt. Diese Eigenschaft musste fotografisch natürlich auch umgesetzt werden. Ich entschied mich daher für eine einzige, harte Lichtquelle: Ein P70 Normal-Reflektor an einer Pulso G Leuchte, die wiederum an einen Scoro 3200 S WiFi Generator angeschlossen war. Da das Bild sehr gross war und natürlich auch in dieser Situation eine homogene Ausleuchtung angestrebt wurde, stellte ich die Leuchte in einer Distanz von rund 10 Metern auf. Von 10 auf 11 Meter verliert eine Lichtquelle nur rund 2/10 Blenden, was problemlos durch die vollständige Fokussierung der Leuchte und deren Ausrichtung kompensiert werden konnte.

Da die Lichtquelle trotz der grossen Distanz nur 3 Meter hoch war, fiel das Licht in einem flachen Winkel von rund 17° auf das Gemälde und betonte die Struktur der Farbe und vom Papier optimal.

Detail:

Work in progress:

Statt einer Aufhellung auf der lichtabgewandten Seite stellte ich ein schwarzes Hintergrundpapier auf, um den Kontrast und damit die Plastizität noch zu erhöhen.


Um allzu dominante Glanzstellen auf der zweiten Reproduktion zu verhindern, arbeitete ich mit einem weichen Licht: Eine Softbox mit Seitenlängen von 120 bzw. 180 cm.

Homogenität konnte jetzt nicht mehr mit einer grossen Distanz zwischen Lichtquelle und Objekt erreicht werden (dies hätte das Licht wieder härter werden lassen), sondern musste über die Orientierung der Softbox erzielt werden.

Dazu drehte ich sie vom Objekt weg und mehr zur Kamera hin. Da das auf eine Holzpalette gemalte Bild somit etwas in den Randverlauf des Lichtes kam, konnte der im kurzen Abstand begründete Lichtabfall kompensiert werden.

Auf eine Aufhellung der Schatten wurde auch hier verzichtet, was eine deutlichere Struktur der aufgetragenen Farbe und eine klarere Trennung der einzelnen Bretter der Palette zur Folge hatte:

Die Ungleichmässigkeit der Studiowand hinter dem Bild begründet sich ebenfalls mit der Ausrichtung der Lichtquelle: Rechts zeigt sich die Gradation des Randverlaufs und links der Eigenschatten der Staffelei mit der Palette.

Das dritte und letzte Werk war das kleinste und mehrschichtig aufgebaut.

Es war der Künstlerin sehr wichtig, dass sowohl die Transparenz der bemalten Plexiplatten als auch das Spiel mit Schatten fotografisch umgesetzt wurde. Die Transparenz erreichten wir durch eine Montage auf einen weissen Untergrund und möglichst klare, harte Schatten durch eine möglichst kleine Lichtquelle. Zu diesem Zweck entfernte ich den P70 Reflektor von der Pulso G Leuchte und fotografierte lediglich mit einer offenen Blitzröhre.

Da dieses Werk wesentlich kleiner war als das erste, reichte eine Distanz von etwa 3 Metern. Die grauen Studiowände reflektierten aber nicht ausreichend Licht, um die Schatten genügend hell erscheinen zu lassen; diese dominierten das Foto zu stark. Daher wurde auf der lichtabgewandten Seite noch ein weisser Reflektor positioniert. Dieser reduzierte den Kontrast und unterstützte die Homogenität der Ausleuchtung.

Art by:
Nicole Schraner www.niniart.ch
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